Newsletter

März 2021


Newsletter März 2021

Liebe NetPhyD Mitglieder, liebe botanisch Interessierte in Deutschland,

es ist eine ganze Weile still gewesen im Netzwerk für botanische Vielfalt. Um zu zeigen, dass sich dennoch hinter den Kulissen etwas getan hat und um Sie jetzt, im beginnenden Vorfrühling, aufzufordern, sich aktiv in die Entwicklung des Vereins einzubringen, wollen wir Sie mit diesem Rundschreiben über den aktuellen Stand und unsere Ideen informieren.

Die Erfassung pflanzlicher Artenvielfalt hat eine lange Tradition in Deutschland. Die systematische und flächendeckende Kartierung von Pflanzenarten ist dabei untrennbar mit der Einbeziehung und Mobilisierung von Ehrenamtlichen verbunden. Nach und neben vielen Lokal- und Regionalfloren wurde in den 60er Jahren die erste umfassende Kartierung der Flora Deutschlands angestoßen und mündete in den Verbreitungsatlanten für Ost- (Benkert et al. 1996) und Westdeutschland (Haeupler & Schönfelder 1989).

Koordiniert wurde diese Kartierung von drei Kartierzentralen in Bochum, Regensburg und Halle Getragen wurde sie von Tausenden von Freiwilligen, meist organisiert in Regionalgruppen. Auch nach dem Zerfall der Kartierzentralen (Ziel erfüllt, fehlende Finanzierung, Wechsel von Lehrstühlen, etc.) sind diese Regionalgruppen meist auf Bundeslandebene als Vereine, Arbeitsgruppen oder lose Vereinigungen organisiert, fast überall erhalten geblieben. Sie sind auch heute noch das Rückgrat der Kartierungsaktivitäten, auch wenn „unorganisierte“ Kartierungen etwa von iNaturalist, observation.org oder über die FloraIncognita Erkennungs-App deutlich zunehmen.

Im Jahr 2006 wurde das Netzwerk Phytodiversität Deutschlands e.V. gegründet, das die Zusammenarbeit der botanisch Interessierten in Deutschland organisieren sollte. Während es mit dem Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Deutschlands (2013) gelang, die verstreut vorliegenden Daten erneut zusammenzuführen, und mit der zeitgleich zu NetPhyD erfolgten Gründung der Gesellschaft zur Erforschung der Flora Deutschlands (GEFD e.V.) die floristisch-taxonomische Bearbeitung eine aktive Plattform gefunden hat, so ist doch bezüglich der Zusammenarbeit aller botanisch Interessierten und der kontinuierlichen Sammlung bundesweiter Vorkommensdaten noch Luft nach oben.

Im Vergleich etwa mit den Vogelkundlern ist es bisher nicht gelungen, eine starke gemeinsame Arbeitsplattform zu etablieren, ein gemeinsames Sprachrohr für die Bedeutung der Wildflora in der Öffentlichkeit zu schaffen und die Pflanzen als Biodiversitätsindikator auf der politischen Bühne stärker zu verankern. Wir möchten daher an dieser Stelle aufrufen, den NetPhyD e.V. mit neuem Leben zu füllen, da wir glauben, dass der Bedarf an einem Netzwerk für den botanischen Artenschutz unvermindert hoch ist. Dazu ist es aus unserer Sicht notwendig:

  1. Die Beteiligung der Regionalgruppen am NetPhyD e.V. wesentlich zu stärken. Bisher sind nur wenige geobotanische Arbeitsgruppen Mitglied im Verein, was die Einflussnahme verhindert, den Informationsfluss erschwert und zu Missverständnissen in der Zusammenarbeit führt. Wir möchten daher alle geobotanisch aktiven Gruppen ermuntern, sich zu beteiligen und bereiten Satzungsänderungen vor, um eine Gruppenmitgliedschaft attraktiver zu machen.
  2. Die bundesweiten Fachgesellschaften (GEFD, Flor-Soz, AHO, DDG u.a.) am Dachverband zu beteiligen. Nur durch eine ständige Vertretung bspw. in einem erweiterten Vorstand ist eine gute Zusammenarbeit und eine adäquate Vertretung zu gewährleisten.
  3. Den Bundesweiten Arbeitskreis der staatlich getragenen Umweltbildungsstätten im Natur- und Umweltschutz (BANU) einzubinden. Derzeit baut der BANU eine Zertifizierung von Artenkenntnissen auf. Die Regionalverantwortlichen für die Zertifizierung der Feldbotanik- und Lebensraumkenntnisse sollten unmittelbar an den Aktivitäten von NetPhyD beteiligt werden.
  4. Um den Wert der Beobachtungsdaten hervorzuheben und den Weg in die Politik zu erleichtern, sollten Universitäten stärker als bisher eingebunden werden. Anreiz könnte etwa der privilegierte Zugriff auf qualitätsgeprüfte Verbreitungsdaten sein. Alle Einrichtungen, an denen noch botanische Artenkenntnisse in signifikantem Umfang vermittelt werden, sollen eingeladen werden, die botanischen Grundlagen zu legen für die nächste Generation, die sich in unseren Mitgliedsverbänden engagiert.
  5. Die Einzelmitgliedschaften im NetPhyD e.V. sollen weiterhin möglich sein, aber eine Stärkung der Rolle der institutionellen Mitglieder mit erweiterten Stimmrechten im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl erscheint für einen Dachverband sinnvoll.

Parallel zur strukturellen Neuaufstellung des NetPhyD e.V. wollen wir die Ziele des Vereins schärfen. Wir möchten die kommenden Monate dazu nutzen, diese Ziele mit Ihnen zu diskutieren und zu konkretisieren.

  1. Wir wollen die exzellente floristische und taxonomische Expertise der (potentiellen) Mitgliedsverbände nicht ersetzen, sondern im besten Falle bündeln. Die floristisch-taxonomische Expertise der GEFD, die Expertise zur Vegetation der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft und all die Kenntnisse der vielen regionalen Vereinigungen gilt es zusammen zu führen und sichtbar zu machen.
  2. Wir fühlen uns dem Naturschutz verpflichtet, werden uns aber sicher nur selten sinnvoll an konkreten Maßnahmen beteiligen können. Vielmehr wollen wir Grundlagenarbeit für den Biodiversitätsschutz leisten.
  3. Die Förderung und Koordination der ehrenamtlichen Aktivitäten, die schon immer fest in den Vereinszielen verankert war, soll explizit auf der Bundeslandebene ansetzen. Die Unterstützung der dortigen Arbeiten, etwa durch Hilfe beim Betrieb regionaler Kartierungsportale, bei der Vernetzung untereinander, oder bei der „Vermittlung“ neuer Mitglieder, z.B. durch entsprechende Werbung in botanischen Erkennungs- und Kartierungs-Apps, soll ein Mehrwert des neuen Netzwerkes werden.
  4. Neben der Zusammenführung von Verbreitungsdaten zur Flora Deutschlands wollen wir deren Auswertung in den Fokus stellen. Aktuelle Arbeiten (Jansen 2019, Bruelheide 2020, Eichenberg 2020) zeigen, dass sich auch mit den vorliegenden heterogenen Datensätzen ohne Negativbelege wie sie für unsere Datensammlungen typisch sind, belastbare Trendanalysen erstellen lassen. Notwendig ist dafür die Zusammenarbeit mit Experten und Expertinnen, ggf. auch aus dem internationalen Raum. NetPhyD will die Aufgabe übernehmen, die notwendige Vermittlungsarbeit zwischen denen, die die Daten erheben und denen, die die Expertise hinsichtlich ihrer Auswertung haben, zu vermitteln. Nur zusammen und durch gegenseitiges Zuhören lassen sich zum Beispiel sinnvolle Trendanalysen erstellen.
  5. Ein Nachhaltigkeitsindikator für die Artenvielfalt der Pflanzen auf Bundesebene ist ein ambitioniertes Ziel, welches den Pflanzen den ihnen gebührenden Platz in der öffentlichen Debatte verschaffen würde. Dafür ist die Zusammenarbeit vieler Beteiligter notwendig. Ebenso möchte sich NetPhyD aktiv an den Monitoringambitionen von Bund und Ländern beteiligen.

Bitte überlegen Sie sich, was Sie sich von einem Netzwerk für botanische Vielfalt wünschen und was Sie dazu motivieren würde, sich zu engagieren oder den Vorstand ihres botanischen Vereins zu überreden, NetPhyD e.V. beizutreten. Denn nur durch ihr Engagement kann NetPhyD zu einem lebendigen Netzwerk werden.

An dieser Stelle eine Einladung zur Rückmeldung auf den Newsletter: selbstverständlich können Sie uns jederzeit per email erreichen oder persönlich anrufen. Für eine erste Diskussion wollen wir darüber hinaus zu einem virtuellen Austausch einladen, am 1. April 2021 um 11 Uhr. Für einen Link zum Virtuellen Treffen schicken Sie bitte eine email an florian.jansen@uni-rostock.de.

Und hier noch zwei Hinweise in eigener Sache:

Uns haben Nachfragen zum Deutschlandflora 1.0 WebGIS, also den digitalen Atlaskarten erreicht. Dieses war als Hilfsmittel für die Erstellung des Verbreitungsatlasses gedacht und ist daher nun vom Entwickler eingestellt worden. Prinzipiell sind die Verbreitungskarten weiterhin über die deutschlandflora.de erreichbar, (wenn man die ID des gewünschten Taxons kennt, sogar über Deeplinks, z.B. https://deutschlandflora.de/dflor/de/karten-und-berichte/verbreitungskarte?taxon=27). Wir sehen aber, dass das nicht so komfortabel und informativ wie bisher ist, z.B. weil man keine weiteren Informationen zu den Funden im MTBQ bekommt. Wir bemühen uns, hier mittelfristig mit Hilfe eines zeitgemäßen WMS Webservices Abhilfe zu schaffen.

Für die Mitglieder mit Einzugsermächtigung: Der letzte Jahrgang, für den Mitgliedsbeiträge eingezogen wurden, war 2017. Aus einer Reihe von Gründen kam es hier zu einem Bearbeitungsstau: starke Projektbelastung, Änderung der beruflichen und persönlichen Situation beim Schatzmeister, sowie Änderung der Bankverbindung. Diese Rückstände werden ab sofort abgearbeitet. Um die Mitglieder nicht zu sehr auf einmal zu belasten, soll jetzt der Beitragseinzug für die Jahre 2018-2020 erfolgen und im kommenden Jahr dann für die Jahre 2021 und 2022. Der Schatzmeister bittet für diese Unannehmlichkeiten um Entschuldigung.

Mit freundlichen Grüßen

Florian Jansen, Andreas Bettinger, Jürgen Klotz, Steffen Caspari, Wolfgang Schumacher

Vorstand NetPhyD e.V.

Publikationen

Bruelheide, H., Jansen, F., Jandt, U., Bernhardt-Römermann, M., Bonn, A., Bowler, D., Dengler, J., Eichenberg, D., Grescho, V., Harter, D., Jugelt, M., Kellner, S., Ludwig, M., Wesche, K., & Lütt, S. (2020). Using incomplete floristic monitoring data from habitat mapping programmes to detect species trends. Diversity and Distributions. https://doi.org/10/ggqfqd

Eichenberg, D., Bowler, D. E., Bonn, A., Bruelheide, H., Grescho, V., Harter, D., Jandt, U., May, R., Winter, M., & Jansen, F. (2020). Widespread decline in Central European plant diversity across six decades. Global Change Biology, gcb.15447. https://doi.org/10.1111/gcb.15447

Jansen, F., Bonn, A., Bowler, D. E., Bruelheide, H., & Eichenberg, D. (2019). Moderately common plants show highest relative losses. Conservation Letters. https://doi.org/10/gf8pp4